Ein benutzer- und aufgabenzentriertes mobiles Anwendungssystem für den Massenanfall von Verletzten

General

Art der Publikation: Conference Paper

Veröffentlicht auf / in: Abstractband GMDS 2013: Im Focus das Leben - Interdisziplinäre Forschung für die Patientenversorgung der Zukunft, Lübeck

Jahr: 2013

Seiten: 53-54

Verlag (Publisher): Pro Business

DOI: https://doi.org/10.3205/13gmds109

ISBN: 978-3-86386-537-5

Authors

Tilo Mentler

Michael Herczeg

Heinz Handels

J. Ingenerf

Abstract

Einleitung und Fragestellung: Die Arbeit von Rettungsfachpersonal und Notärzten ist einerseits von mehrmals täglich zu leistenden Krankentransporten und Notfalleinsätzen und andererseits von seltenen Massenanfällen von Verletzten (MANV) geprägt. Derzeit werden diverse Formulare sowie eine Vielzahl von Kommunikationswegen (Funk, Telefon, Melder, persönliches Gespräch) verwendet, die zwar flexible Arbeitsweisen ermöglichen, aber die Informationsflüsse, insbesondere bei größeren Schadenslagen, erschweren bzw. verzögern können. Durch mobile computerbasierte Lösungen sollen sowohl eine höhere Datenqualität und Arbeitseffizienz als auch eine optimierte Kommunikation, Kooperation und Koordination der beteiligten Einsatzkräfte ermöglicht werden. Jedoch stellen der mobile Kontext rettungsdienstlicher Tätigkeit, die Anforderungen an Datenqualität und Bediensicherheit sowie das Einwirken zahlreicher Stressoren auf die Benutzer besondere Anforderungen an die Systemgestaltung. Ziel unseres Projektes war die Unterstützung der rettungsdienstlichen Arbeiten bei einem MANV durch ein mobiles computerbasiertes Dokumentations- und Informationssystem, dessen Bedienkonzepte bereits aus dem Routinebetrieb bekannt sind. Der besondere Fokus lag dabei auf einer gebrauchstauglichen generischen Benutzungsschnittstelle für den Routine- und den Ausnahmebetrieb.

Material und Methoden: Im Rahmen eines menschenzentrierten Entwicklungsprozesses nach ISO 9241-210:2011 [1] wurden durch die Durchführung mehrerer Workshops mit Vertretern verschiedener Rettungsdienstbereiche, der teilnehmenden Beobachtung an zwei Großübungen, der Teilnahme an notfallmedizinischen Symposien und Fortbildungen sowie einer Umfrage unter 14 Ärztlichen Leitern Rettungsdienst Anforderungen an ein mobiles Dokumentations- und Informationssystem beim MANV ermittelt [2] und in einem Systemkonzept abgebildet. Dieses wurde ausgehend von Papierentwürfen und Mock-Ups iterativ implementiert und fortlaufend mit Experten in Einzelgesprächen und Workshops formativ evaluiert. Darüber hinaus wurde der Prototyp einem breiten Publikum auf einer Fachmesse vorgestellt. Eine abschließende summative Evaluation auf Grundlage der ISO 9241-110:2008 [3] wurde bei einer MANV-Übung durchgeführt.

Ergebnisse: Vertreter verschiedener Rettungsdienste sprechen sich für eine ganzheitliche Systemlösung für die Dokumentation und Information im Rettungsdienst aus [4]. Insbesondere wird eine ausschließlich beim MANV einsetzbare Lösung kritisch beurteilt, da die Seltenheit der Verwendung und die außergewöhnliche Beanspruchung der Benutzer einer sicheren Bedienung ohne längere Eingewöhnungszeiten entgegenwirken würden. Daher ist eine konsistente und erwartungskonforme Gestaltung der Benutzungsschnittstelle vom Krankentransport bis zum MANV anzustreben. Im MANV-Anwendungsfall muss das Anwendungssystem primär eine effiziente und sichere Registrierung und Sichtung der Patienten unterstützen. In diesem Zusammenhang wird ein hybrider Ansatz aus mobilen Endgeräten und papierbasierten Patientenanhängekarten, die das Ablesen der Sichtungskategorie ohne technische Hilfsmittel ermöglichen, einer vollständig elektronischen Variante, wie sie beispielsweise im WIISARD-Projekt [5] evaluiert wurde, vorgezogen. Eine sich automatisch und unmittelbar ergebende Übersichtsdokumentation, die mittels Sortier- und Filterfunktionen durch den Benutzer angepasst werden kann, wird als wesentlicher Vorteil einer computerbasierten Lösung angesehen. Weiterhin sollten ortsbezogene Informationen auf einer digitalen Lagekarte visualisiert werden.

Diskussion: Papierbasierte Arbeitsmittel werden im Rettungsdienst zunehmend durch mobile computerbasierte Anwendungssysteme ergänzt oder ersetzt. Neben ihrer technischen Zuverlässigkeit ist eine gebrauchstaugliche Gestaltung der Benutzungsschnittstelle von entscheidender Bedeutung für die Eignung in diesem sicherheits- und zeitkritischen Kontext. Es werden Interaktionskonzepte benötigt, die sowohl eine effiziente Erledigung von Routineaufgaben als auch eine effektive und sichere Arbeitsweise bei außergewöhnlichen Ereignissen unterstützen, um Akzeptanz und Bediensicherheit durch die Benutzer sicherzustellen. Darüber hinaus muss die Interoperabilität medizintechnischer Geräte mit den Dokumentations- und Informationssystemen vereinfacht werden, um die Rettungskräfte nicht mit einer Vielzahl von Insellösungen zu belasten.

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